Familiäre Hypercholesterinämie im Praxisalltag: Früherkennung und Labordiagnostik als Schlüssel zur Prävention
Die familiäre Hypercholesterinämie (FH) ist eine der häufigsten monogenen Stoffwechselstörungen. Ursächlich sind meist Mutationen im LDL-Rezeptor-Gen, die dazu führen, dass LDL-Cholesterin (LDL-C) nicht ausreichend aus dem Blut entfernt wird. Bereits ab Geburt können so dauerhaft erhöhte LDL-C-Werte vorliegen – meist ohne begleitende Hypertriglyzeridämie. Die Folge ist eine stetige cholesterinbedingte Belastung der Gefäßwände, die bereits im Kindesalter zu atherosklerotischen Veränderungen führt.
Ohne Behandlung kommt es bei etwa 26 Prozent der Betroffenen bis zum 40.Lebensjahr zu einem kardiovaskulären Ereignis, sieben Prozent versterben. Früh erkannt und suffizient behandelt, kann jedoch eine weitgehend normale Lebenserwartung erreicht werden.
Familienscreening: Prävention beginnt in der Familie
Da FH autosomal-dominant vererbt wird, liegt das Risiko für Kinder betroffener Elternteile bei 50 Prozent. Eine gezielte Familienuntersuchung (Kaskadenscreening) ermöglicht es, Risikopersonen frühzeitig zu identifizieren – oft noch bevor Symptome auftreten. In der kinderärztlichen Versorgung bietet die U9-Untersuchung (ca. im 5.Lebensjahr) eine sinnvolle Gelegenheit zur Erhebung des Lipidprofils, insbesondere wenn eine familiäre Vorbelastung für koronare Herzkrankheiten,Hypercholesterinämie oder Schlaganfall besteht.
Die Bedeutung dieses Screenings liegt nicht nur in der frühzeitigen Risikoerkennung, sondern auch in der Möglichkeit, präventive und therapeutische Maßnahmen noch vor dem Eintreten irreversibler Gefäßveränderungen einzuleiten. Die pädiatrische Lipidologie gewinnt daher zunehmend an Bedeutung in der Primärversorgung –sowohl bei Hausärzt:innen als auch bei Kinderärzt:innen.
Labordiagnostik: praxistauglich, klar und risikoorientiert
Die Diagnostik bei familiärer Hypercholesterinämie beginnt mit der Bestimmung des Lipidprofils. Entscheidend ist vor allem die Höhe des LDL-Cholesterins. Bei Erwachsenen gelten Werte über 190 mg/dl (4,9 mmol/l), bei Kindern Werte über 130 mg/dl (3,4 mmol/l) als erhöht. Die Blutentnahme kann in der Regel nicht-nüchternerfolgen, was die Integration in den Praxisalltag erleichtert. Für eine aussagekräftige Triglyzeridmessung ist jedoch weiterhin eine nüchtern entnommene Probe notwendig.
Zusätzlich empfiehlt sich eine einmalige Messung von Lipoprotein(a) – kurz Lp(a) -vorzugsweise im Kindesalter. Diese ist ebenfalls nicht-nüchtern möglich. Lp(a) ist genetisch determiniert und verändert sich im Verlauf des Lebens kaum. Werte über 75nmol/l (30mg/dl) gelten als erhöht, ab 125 nmol/l (60 mg/dl) ist das kardiovaskuläre Risiko signifikant gesteigert. Insbesondere bei gleichzeitig vorliegender FH erhöht sich die Atherogenität durch Lp(a) nochmals deutlich.
Eine genetische Bestätigung der FH durch eine entsprechende Paneldiagnostik ist hilfreich bei unklarer Befundkonstellation, zur Risikoeinschätzung und für das strukturierte Familienscreening.
Therapie: früh beginnen, klar kontrollieren
Lebensstilmodifikation mit cholesterinarmer Ernährung, regelmäßiger Bewegung und Rauchverzicht bleibt ein erster Schritt in der Behandlung der FH. Die LDL-Senkung ist dadurch mit etwa 10-15% jedoch nur begrenzt möglich.
Medikamentöse Lipidsenkung auch bei Kindern und Jugendlichen unter ärztlicher Aufsicht
Statine zur LDL Senkung sind ab dem sechsten Lebensjahr zugelassen (z. B.Rosuvastatin). Bei unzureichender LDL-Senkung oder Statinintoleranz kommen Ezetimib oder PCSK9-Inhibitoren infrage. Diese sind für Kinder ab zehn Jahren verfügbar. Entscheidend ist die regelmäßige Verlaufskontrolle – neben dem Lipidprofil sollten auch Transaminasen und Kreatinkinase zur Überwachung der Leber- und Muskelfunktion im Monitoring berücksichtigt werden.
Zielwerte in der FH-Therapie
Patientengruppe | LDL-Zielwerte |
Kinder mit FH | <110 mg/dl (2,8 mmol/l) |
Erwachsene ohne klinische Ereignisse | <110 mg/dl (2,6 mmol/l) |
Sekundärprävention (z.B. nach Myokardinfarkt) | <55 mg/dl (1,4 mmol/l) |
Fazit: klinische Wachsamkeit schafft Sicherheit
Die familiäre Hypercholesterinämie ist eine häufige, aber unterdiagnostizierte Ursache frühzeitiger Atherosklerose. Gerade in der Primärversorgung liegt der Schlüssel zur Erkennung: persistierend erhöhte LDL-Werte - insbesondere >130 mg/dl (3,4 mmol/l) bei Kindern oder >190 mg/dl (4,9 mmol/l) bei Erwachsenen - sollten Anlass zur gezielten Abklärung geben. Eine strukturierte Stufendiagnostik beginnend mit Lipidprofil, Lp(a)-Bestimmung und ggf. genetischer Analyse ermöglicht eine frühzeitige Diagnose. Der Therapieerfolg hängt entscheidend vom Zeitpunkt des Therapiebeginns und der Erreichung definierter Zielwerte ab. Für Haus- und Kinderärzt:innen bedeutet dies: frühzeitig an FH denken, familiäre Konstellationen mit einbeziehen und die Laboranalytik konsequent nutzen. Das interdisziplinäre Zusammenspiel mit spezialisierten Lipidzentren und Laborärzt:innenkann zusätzlich zur Versorgungssicherheit beitragen – und langfristig das kardiovaskuläre Risiko in betroffenen Familien erheblich senken.
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Referenzen
- Schwab KO, Doerfer J. Pädiatrische Fettstoffwechselstörungen und Atheroskleroserisiko – kompakt. 1st ed. Berlin, Heidelberg: Springer; 2022. zuletzt abgerufen am 07.05.2025